Mr. Du Jun Jie aus Shanghai hat die Biberstube, einst eine Tranklerhütte der Innenstadt, zur Ramenbar gemacht. Aal gibt’s auch.
Gerhard Wasserbauer

"Not so much", sagt Du Jun Jie auf die Frage, ob er vor der Eröffnung seiner Ramenbar in der Biberstraße, gleich beim Luegerplatz, denn in anderen Lokalen gearbeitet habe. "Ich hab ein wenig studiert, bin viel gereist und habe Party gemacht." Jetzt muss er aber wirklich was arbeiten, auch dabei ist das Glück ihm hold: In der eigenen Hütte kocht die Mutter für ihn, wenn auch nur, "bis das Lokal richtig geht und ich mir einen Koch leisten kann. Dann geht sie zurück nach China."

Nach Wien hat es Du dank seiner Schwester verschlagen, sie hat "in eine der ältesten chinesischen Familien Österreichs geheiratet, die waren schon vor dem Ersten Weltkrieg da". Nachdem sie ihm Hallstatt gezeigt hatte, war für Du klar: "Österreich ist das Paradies, wozu soll ich weitersuchen?" Deswegen gibt es jetzt eine Ramenbar beim Luegerplatz.

Nun kennen wir das Phänomen des japanisierenden Nudelsuppenlokals in Wien schon länger, auch Köche mit deutlicher Ambition auf die höheren Ehren der namhaften Gourmetguides sind längst am Auskochen von Knochen und Karkassen für die ganz originalen Fonds. Bloß: Nudeln, Fleisch, Ei und ordinäres Gemüse als Einlage reichen denen nicht als Topping, längst sind die Trüffelöle, Soft-Shell-Crabs, Thailand-Spargeln, Langstiel-Brokkolis und sonstigen Distinktionsmerkmale aus dem Katalog der höheren Kreativkunst in Stellung gebracht.

Ramen als Kontrapunkt

Spicy Beef-Ramen mit Mais
Gerhard Wasserbauer

Insofern ist die Suppenküche von Mr. Du und seiner Ma ein echter Kontrapunkt, ganz auf die ursprüngliche Funktion von Ramen als Kraftnahrung für hart arbeitende Menschen fokussiert: "Am Anfang war das ein Billig-Essen für die Unterschicht", sagt Du Jun Jie, "es ging darum, mit Fett, Salz, Stärke und Knochen ein Energiekonzentrat zu schaffen, das auf Stunden Kraft gibt." Weil China und Japan die Herkunftsgebiete von Ramen bzw. La­mien, aber auch Zentralgestirne der Kultur des guten Essens sind, wurde eine Delikatesse daraus.

Der Spicy Beef Ramen bei Du ist so ein Fall: eine dichte, mit Fettaugen aufgeladene, scharfwürzige Brühe mit einem Berg voll dünner, fester, elastischer Nudeln drin, mit keineswegs magerem, weichgeschmortem Rindfleisch obendrauf, einem Schöpfer Zuckermais, schmal geschnittenem, knackigem Pak Choi, rotem Zwiebel – und sehr gut ist er, wenn man an den winzigen Zweiertischen sitzt und sich dem Schlürfen der Nudel so hingibt wie der Nachbar zur linken und jene zur rechten, konzentriert, gierig, ganz auf die eigenen Lippen fokussiert – und auf die schlüpfrige Köstlichkeit, die in einem nicht endenwollenden Sog aus Hitze, Salz, Kraft dazwischen eingesaugt wird. Es wird kaum zufällig argumentiert, dass der Hype um die mit Stäbchen genossene Nudelsuppe ganz zentral auch mit frühkindlichen Prägungen zu tun haben soll.

Wascher von Wan-Tan

Wan-Tan-Suppe, eine Schüssel mit dicken, mit einem Bissen kaum zu bewältigenden Teigtaschen darin, kann es aber auch: Mächtige Schweinsknochenbrühe, mit Miso aufs Molligste aufgeladen, ist da die Basis. Die aus festem, nicht gerade dünn gewalktem Teig geformten Teigtaschen sind echte Wascher, mit ingwerduftigem Faschiertem gefüllt, gerösteter Sesam sorgt da hie und da für karamellisierte, nussige Noten, ebenso geradlinig wie gut.

Germ-Fleischknödel: Homemade steamed meat buns
Gerhard Wasserbauer

Zur Vorspeise sollte man sich die gedämpften Baozi nicht entgehen lassen, vier dicke, mit würzigem Faschierten gefüllte Germteigknödel bekommen da untenrum vor dem Servieren noch ein bissl Knusprigkeit in der Pfanne verpasst. Dazu gibt es süßsauren Dip mit malzigen Umaminoten statt des sonst üblichen schwarzen Essigs. Vier Germknödel um 6,50 Euro? Da kann es sich nur um ein Paradebeispiel jener Leitkultur handeln, die unser Bundeskanzler so oft im Munde führt, richtig?

Weil Herr Du so viel gereist ist, gibt es auch Aal, wie japanischer Unagi in süßlicher Sauce karamellisiert, herrlich fett und saftig – bloß die Schüssel Reis, auf der er in Donburi-Manier mit diversem Gemüse serviert wird, ist seltsam wässrig und unerfreulich – wirkt angesichts der sonstigen Expertise, die den Speisen hier zuteil wird, aber wie ein einmaliger Ausrutscher. (Severin Corti, 3.5.2024)

Reisschale mit Aal und Gemüse
Gerhard Wasserbauer