Peter Paul Kainrath
Peter Paul Kainrath mit seinem Buchtipp.
Klangforum Wien

Als junger Mensch sucht man nach sich selbst", sagt er. Diese Suche begann bei ihm schon während großer Familientreffen alle fünf Jahre. Da bekam er immer ein Buch geschenkt, und in denen begann er zu suchen. "Ein Kind interessiert sich nicht für Familienfeiern, also setzte ich mich immer abseits und las. Wenn ich fertig war, wollte ich das Buch gegen ein anderes eintauschen, um gleich ein nächstes zu lesen." So trainierte er sein hohes Lesetempo, das später im Gymnasium in Bozen von einem Deutschprofessor, "der mich geprägt hat im Umgang mit Büchern", weiter gefördert wurde. Aber auch "das befreite Denken" brachte er ihm bei und: "Sich die souveräne Deutungskraft nie nehmen zu lassen."

Auch bei Clarice Lispector, die er auf Italienisch las, geht es um "eine radikale Freiheit, die man um den sehr hohen Preis radikaler Ehrlichkeit mit sich selbst erkauft. Man muss in einer starken Gefühlsverfassung sein, wenn man dieses Buch liest, denn es erschüttert die Fundamente, zumindest ging es mir so." Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die unglücklich in ihrer scheiternden Ehe ist, der Mann geht zur früheren Geliebten zurück. Das passiert oft, aber was ihn begeisterte: "Die Sprache, mit der sie das Innenleben dieser Frau quasi explorieren lässt!" Heute ist er im internationalen Musikleben tätig, er mochte also, "dass dieses Buch mit drei Klängen beginnt: mit dem einer Schreibmaschine, dem einer tickenden Uhr und dem der Stille, die von der Autorin auch einen Klang zugeschrieben bekommt. Und sofort hat man eine sehr lebendige Vorstellung eines klingenden Lichts. Eines so gleißenden Lichtes, dass es jede Leere bedeutungslos sein lässt."

Bewegend war für ihn zu lesen, "wie die Heldin zur Überzeugung gelangt, dass auch die Liebe nicht befreit. Die wirkliche Befreiung kommt über die radikale und schonungslose Ehrlichkeit mit sich selbst. Am Ende dieser großen Kraftanstrengung aber wird man jenseits des reflektierten Bewusstseins wie die Seele eines Tieres sein. ‚Stark und schön wie ein Fohlen‘, wie es im letzten Satz heißt." Und nahe dem wilden Herzen. (Manfred Rebhandl, 10.5.2024)