Eine Mutter spielt mit ihrem kleinen Sohn im Wohnzimmer am Boden Duplo Lego
Ein Kind großzuziehen erfordert enorm viel Kompetenz. Leiderbleibt diese im Lebenslauf meist unerwähnt.
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Im April wurde auf Linkedin ein neues Unternehmen registriert. Ein paar Tage später hatte es hunderte Mitarbeitende, mittlerweile über zwölftausend. Meist sind es Frauen, die bei der Firma anheuern. Sie alle sind hochqualifiziert. Sie besitzen ein hohes Maß an Flexibilität, Engagement, Empathie und Verhandlungsgeschick. Sie sind toporganisiert und verantwortungsbewusst.

Ein beeindruckendes Kompetenzprofil, nicht wahr? Dennoch erhalten die Mitarbeitenden weder Geld noch Wertschätzung dafür. Ganz im Gegenteil: Oft werden sie für ihre anspruchsvolle Arbeit benachteiligt oder belächelt. Warum wollen dennoch tausende Menschen für diese Firma arbeiten? Und wer steckt eigentlich dahinter?

Elternschaft ist auch ein Job

Gegründet hat das Unternehmen Franziska Büschelberger aus Dresden. Sie arbeitet als technische Assistenz im Forschungsbereich einer Hochschule und bietet Unternehmen Teamanalysen an. Doch Büschelberger hat noch einen anderen wichtigen Job: Sie ist Mutter. Deswegen machte sie einen weiteren Eintrag in ihrem Lebenslauf auf der Plattform Linkedin: "alleinige Sorge für zwei Kinder, Arbeitserfahrung seit 2005 bis heute". Dazu erfand sie im Business-Netzwerk eine eigene Firma und entwarf ein Logo.

Die 49-Jährige will damit sichtbar machen, was bisher in Lebensläufen immer unsichtbar war: Kindererziehung und die Pflege von Angehörigen. "Unbezahlte Care-Arbeit ist etwas, das viele bisher in ihren Lebensläufen eher unter den Teppich gekehrt haben. Dabei ist es eine Leistung, auf die man stolz sein kann", sagt Büschelberger.

Aus der Fake-Firma entsteht gerade eine richtige Bewegung. Büschelberger wird für ihre Idee gefeiert. Eine Mutter auf LinkedIn schreibt etwa: "Bevor ich selbst Kids hatte, war mir nie bewusst, dass viele der Menschen, die mit mir um 9 mit dem ersten Meeting starten, vermutlich schon dreimal ganz fest getröstet, eine Cornflakes-Grundreinigung durchgeführt, in einem Konflikt vermittelt, gestillt, saisongerechte Kleider verhandelt und vielleicht unter Tränen Abschied genommen haben. Ich bin immer wieder überrascht, wie souverän wir Eltern dieses Doppelleben unter den Sitzungstisch wischen. Umso mehr freue mich über die Initiative von Franziska Büschelberger, die es wieder sichtbar macht."

Wer die Initiative unterstützen möchte, kann "Unpaid Care Work" ganz einfach auf Linkedin als Arbeitgeberin auswählen, eine spannende Jobbeschreibung hinzufügen und somit den Lebenslauf erweitern. Bei mir findet man nun beispielsweise neben meinen bisherigen Stellen im Journalismus auch den Titel "24/7-Versorgerin, Familienmanagerin und Mental Load Expertin". Und ich bin in Österreich bei weitem nicht die Einzige, die ihr Profil angepasst hat. Die Initiative wird länderübergreifend gefeiert, ihr folgen viele Menschen aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz.

Carearbeit braucht neuen Stellenwert

Vereinbarkeit ist ein präsentes Thema. Viele Eltern fragen sich: Wie bekommt man Kind und Karriere unter einen Hut? Ist das überhaupt möglich? Fakt ist: Viele Eltern strudeln. Eltern-Burnout ist ein Thema. Umfragen zeigen, dass sich gerade Eltern von minderjährigen Kindern massiv gestresst fühlen. Fast 70 Prozent fühlen sich demnach infolge hoher Belastungen mitunter erschöpft oder ausgebrannt.

Das ist etwas, das nicht länger verschwiegen werden sollte, findet Büschelberger: "Es darf nicht sein, dass Leistung, nur weil sie unbezahlt ist, als wirtschaftliche Schwäche angesehen wird. Es ist ein gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Beitrag, der essenziell ist."

Das trifft vor allem Mütter. Politik und Wirtschaft diskutieren permanent darüber, wie man Mütter möglichst früh wieder zurück in die Erwerbstätigkeit bringt. Und wie sie den Spagat zwischen Familie und Job gut meistern. Wie sie mehr Stunden schaffen, selbst wenn sie kranke Kinder oder Angehörige pflegen müssen. Was sich dabei zeigt: Sorgearbeit ist lästig. Sie steht im Weg. Und das spüren Eltern.

Deswegen wird oft verheimlicht oder heruntergespielt, wenn man kranke Familienangehörige daheim hat. Dass man überhaupt Kinder hat, scheint schon gar nicht in den Lebensläufen auf. Die Initiative von Büschelberger ist demnach ein enorm wichtiger Schritt in die richtige Richtung. "Wenn wir alle den Mut uns selbst gegenüber und unserem Umfeld gegenüber haben, ehrlich zu sein, können wir etwas verändern", sagt sie. "Nur wenn wir alle mitmachen, wird Carearbeit einen anderen Stellenwert erhalten." (Nadja Kupsa, 14.5.2024)